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Blog 28.12.
My Favorite Composer I

Billy Strayhorn - PART 1

Als der junge, aus Pittsburgh stammende, 1915 geborene Musiker Billy Strayhorn  1939 zum ersten Mal auf Duke Ellington traf und ihm quasi als Einstandsgeschenk Take The A-Train, das später das Markenzeichen des Ellington-Orchesters werden sollte, überreichte, ahnte er noch nicht, dass er fortan sein ganzes Leben bis zu seinem Tode 1967 an der Seite dieses Mannes verbringen würde. In dieser beinahe einmaligen Konstellation der Musikgeschichte – mir fallen nur noch John Lennon & Paul McCartney ein – stellten sich neben der tiefen Freundschaft zwischen den beiden und des blinden musikalischen Verständnisses des Öfteren auch „Szenen einer Ehe“ ein, denen Strayhorn anfangs der 50er erfolglos zu entfliehen versuchte, da er sich (zu Recht) oft  nicht vollgenommen fühlte, weil ihm – wie übrigens auch anderen Musikern, Ellington in vielen Fällen das Urheberrecht für die geleisteten Anteile oder sogar für ganze Kompositionen nicht zugestehen wollte. Und als bekennender Homosexueller in der damaligen Zeit hatte es Strayhorn ja auch nicht gerade leicht. So versuchte er neben dem übermächtigen Duke irgendwie auch ein eigenes Leben zu leben, in dem er sich z.B. im Neal Salon mit anderen schwarzen homosexuellen Künstlern austauschte oder als musikalischer Direktor der Tap Dance-Gruppe Copasetics agierte, für die er die Musik zu sechs Shows zwischen 1951 & 1963 geschrieben hatte. Oder als Mitglied des „Inner Circle“ von Martin Luther King 1963 am Marsch nach Washington teilnahm. Aber die meiste Zeit verbrachte er damit, für das Ellington-Orchestra zu arrangieren, zu komponieren und auch Klavier zu spielen. Wobei die Beziehung zwischen Strayhorn und Ellington so symbiotisch wurde, dass die beiden auch als Pianisten nur schwer auseinanderzuhalten waren. Dazu ein eindrücklicher Beweis mit Strayhorn am PianoDuke Ellington über Billy Strayhorn:"He was not, as he was often referred to by many, my alter ego. Billy Strayhorn was my right arm, my left arm, all the eyes in the back of my head, my brainwaves in his head, and he in mine."

Auch in der Notenschrift gibt es einige Ähnlichkeiten. Hier je eine Seite von Strayhorn und Ellington. Jedenfalls schrieb Strayhorn eine beträchtliche Anzahl von Kompositionen für Ellington, darunter ein gutes Dutzend unvergleichlicher, ganz spezieller Balladen, die sich alle durch eine ganz besondere Melodik und Harmonik auszeichnen, die man sonst wohl nur noch bei Thelonious Monk findet. Gemeint sind z.B. After All, Blood Count, Chelsea Bridge, Day Dream, Lotus Blossom, Lush Life, My little Brown Book, Passion Flower, The Star Crossed Lovers, Something to Live For oder The Strange Feeling. Biograph David Hajdu listet in seinem Buch Lush Life  hundertzwanzig Songs und dreizehn Suiten von Strayhorn auf, der holländische Musikwissenschaftler Walter von der Leur in Something to Live For auf knappe sechshundert (mit den Nichtveröffentlichten) und David Brent Johnson über tausend. Ellington-Experte Wynton Marsalis wiederum ist der Ansicht, dass Strayhorn eigentlich nur Trittbrettfahrer war und sich bloß im Licht Ellingtons gesonnt hat.
Wie auch immer, es bleibt das Geheimnis der Zweien, was genau wer wie gemacht hat.  Interessant dabei ist, was van der Leur so alles recherchiert hat, z.B. im Falle von Anatomy of a Murder (track 8 of 13): Almost Cried...Relevant manuscript: autograph scores. Pieced together from two scores: measures 1-6 (Intro), 17-24 (bridge), and 33-38 (coda) are by Elligton; measures 7-8 (Intro), 9-16 (first A), and 24 -32) by Strayhorn.“ Oder in Such Sweet Thunder (movement 1 of 12)...Relevant manuscript: autograph scores. Measures 1-48 and 61-72 are by Ellington; measures 49-60 are missing and measures 73-75 are by Strayhorn. Tja, da bleibt einem der Mund offen!

Ich selber muss gestehen, dass ich im Sound der Arrangements keinen Unterschied hören, also nicht unterscheiden kann, wer orchestriert hat. Für mich klingt alles so zeitlos schön, was natürlich auch sehr viel mit den unvergleichlichen Stimmen, vor allem von Johnny Hodges*, Paul Gonsalves Harry Carney  oder Ray Nance zu tun hat.
Strayhorn, der ursprünglich ein klassischer Musiker werden wollte, hatte ein paar Ausflüge in dieses Genre unternommen, allerdings nicht allzu erfolgreich. Hier ein eher eigenartiges fast dreizehn Minuten dauerndes Duo für Horn und Klavier, Suite for the Duo, das für mich am besten in der Piano-Blues-Kadenz bei 4:30 klingt. Das Dutch Jazz Orchestra hat zwei weitere bis dato unveröffentlichte Kompositionen eingespielt, The Flowers Die of Love für klassische Stimme sowie einen Valse, der Chopin nachempfunden ist.

Auf seinem Soloalbum The Peaceful Side (UAJ, 1963)  gibt es ein paar sehr berückende intime Momente, The Strange Feeling und Passion Flower zeugen davon. Ganz besonders schön auch die gleichnamige Version mit Rosemarie Clooney und Johnny Hodges. 18

Und zum Schluss noch ein wunderschönes Statement von Strayhorn über sein Verhältnis zur Melodie: „ I feel it is not right for an artist to turn his back on a simple melody just because it’s not a great suite or something or other. After all, Horowitz plays Träumerei beautifully, and why shouldn’t he? Why shouldn’t you play a simple melody? It’s a matter of being humble. All great artists are humble.“

 

Der nächste Blog folgt am 16. Februar aus Venedig, wo ich das erste Halbjahr 2020 dank eines Kunstpreises der Forberg Stiftung verbringen werde. Hier ein Eindruck von der zur Verfügung gestellten Wohnung.

mathias rüegg
 

ps: und zum Schluss noch Strayhorns After All mit Florian Bramböck, Österreichs meist unterschätztem Altisten und Johnny Hodges’ Alter Ego.

 

 

 

 

 

PLAYER 1 - Blood Count

Blood Count war das letzte Stück, das Strayhorn (1967) geschrieben und im Krankenhaus vollendet hatte. Für mich eine der schönsten und innigsten Jazzballaden.
Duke nahm es auf das Album And His Mother Called Him Bill, danach hatte er das Stück nie mehr wieder gespielt. Das Album besteht nur aus Strayhorn-Tunes und ist etwas vom Besten, was das Ellington-Orchester eingespielt hat.

 

Duke Ellington 
And His Mother Called Him Bill – 1968, RCA Records

Hier die Originalversion mit dem herzzerreißenden und unvergleichlichen Johnny Hodges in einem extrem langsamen und schwierig zu spielenden Tempo. Hodges spielt „nur“ das Thema, aber WIE! Und das mitten in der Hochblüte der Hippiezeit.

Marian Mc Partland
Marian Mc Partland’s Piano Jazz – 2006, The Jazz Alliance

Die 2013 verstorbene Pianistin Marian Mc Partland hatte eine über vierzig Jahre lange Radiosendung Marian McPartland's Piano Jazz, in die sie praktisch alle Pianistinnen und Pianisten eingeladen hatte, u.a. auch Shirley Horn, der sie hier eine wunderbare Soloversion von Blood Count vorspielt.

Joe Henderson
The Music of Billy Strayhorn – 1992, Verve

Eine sehr zurückhaltende, wunderschön zerbrechliche Quartett-Version mit Stephen Scott am Piano.

Art Farmer

Something to Live For – 1987, Contemporary

Dieses Album ist stilistisch eher untypisch für Art, der u.a. auch zehn Jahre lang in Wien gewohnt hatte. Mir gefallen die Harmonisierungen des Pianisten James Williams sehr gut.

Stan Getz

Pure Getz – 1982, Concord Jazz

Stan Getz beginnt ganz zart und steigert dann die Intensität durchgehend bis zum Schluss, begleitet von der Rhythm-Section um den Pianisten Jim McNeely.

Player 1
Teil 1

PLAYER 2Chelsea Bridge
Über diesen 1941 komponierten Song sagte Gil Evans, nachdem er ihn das erste Mal gehört hatte: "From the moment I first heard 'Chelsea Bridge,' I set out to try to do that. That's all I did ... tried to do what Billy Strayhorn did." Ganz besonders schön die ersten vier Takte mit den zwei Minormajor-Akkorden.

Ben Webster

Ben Webster with Strings – 1954, Norgran Records

Ben Webster ist am Tenorsax das Pendant zu Hodges am Altsax. Ein Riesenton, mit allen nur denkbaren Schattierungen. Das String-Arrangement stammt von Billy Strayhorn, am Klavier der erstaunliche Brite Stan Tracey.

https://www.discogs.com/de/Ben-Webster-With-Strings-Music-With-Feeling/release/9798950

http://projazz.net/ben-webster-chelsea-bridge/

https://en.wikipedia.org/wiki/Stan_Tracey

 

Keith Jarrett -
Whisper Not/Live in Paris 1999, ECM
Keith Jarrett lässt in unverbesserlicher Manier das Klavier klingen, so, wie nur er das kann. Und nimmt Strayhorn's Komposition als Vorlage für solistische Klavierausflüge, die immer im Bezug zum Thema, das er minimalistisch andeutet, stehen. Gary Peacock muss man mögen.

Ahmad Jamal

I Remember Duke, Hoagy & Strayhorn - Telarc, 1995

Einer sehr langen Solointro folgt große Klaviertriokunst. Beeindruckend!

Lena Horne

Season of a Life – 2006, Blue Note (rec. 1993-97)

Die 2010 verstorbene Lena Horne läuft auf ihrem letzten Album mit brüchiger Stimme zu einer ungeahnten Form auf, kongenial von Herbie Hancock begleitet.

Tommy Flanagan

Overseas – 1957, Prestige

Schnörkelloser Triojazz im Medium Tempo, sogar mit Doubletime-Feel. Zusammen mit Red Garland und Wynton Kelly einer der großen Stilbildner aus der klassischen Jazzzeit der 40er und 50er-Jahre.

Player 2

PLAYER 3 DAY DREAM

Dieser 1939 geschriebene Song, den Johnny Hodges als erster aufgenommen hatte, klingt so, wie wenn Strayhorn beim Komponieren Hodges' Sound direkt vor Augen gehabt hätte. Das Ellington Orchestra war zu der Zeit ohne Strayhorn, der in Harlem sieben Wochen Zeit zum Komponieren hatte, auf Europatour.
 

Johnny Hodges

Johnny Hodges with Billy Strayhorn and the Orchestra – 1962, Verve

Und weils’ so schön war, auch hier wieder die erste Version mit Johnny Hodges! Das fast vollzählige Duke Ellington Orchestra mal unter Strayhorns Leitung und Namen, mit Jimmy Jones am Klavier.

Ella Fitzgerald
Ella Fitzgerald Sings the Duke Ellington Song Book – 1957, Verve

Von dieser Trilogie ist das dritte Album Billy Strayhorn gewidmet, der – so wie ich es hören kann – hier wohl auch Klavier spielt, wobei als Pianisten neben Ellington auch noch Oscar Peterson und Paul Smith, ihr Begleiter, angegeben sind. Die Zusammenarbeit zwischen Ella und Duke war ein besonders fruchtbar.

Tony Bennett

Bennett Sings Ellington: Hot & Cool –1999, Columbia
Tony Bennett zu Ehren von Ellingtons hundertstem Geburtstag in einem großen sinfonischen Ambiente, arrangiert von Ralph Burns.

Betty Carter

Feed The Fire – 1994, Verve

Die Version auf dem 1994 live aufgenommenen Album der unkonventionellen Betty Carter mit ihrer sehr eigenen Intonation, die sich zeitlebens allen Konventionen widersetzt hat, beginnt auch genau so. Mit einer sehr langen Intro, das Thema folgt erst bei knapp fünf Minuten. Dabei begleitet wird sie von Geri Allen.

Archie Shepp

Day Dream – 1989, Denon

Und zum Schluß eine sehr elegische Version mit Archie Shepp am Sopransax, die in der Mitte offener und virtuoser und gegen das Ende hin wieder lyrischer wird. Mit Walter Davis am Piano.

Payer 3

PLAYER 4 - Lush Life
Lyrics Billy Srayhorn

I used to visit all the very gay places
Those come what may places
Where one relaxes on the axis of the wheel of life
To get the feel of life
From jazz and cocktails.

The girls I knew had sad and sullen gray faces
With distant gay traces
That used to be there you could see where they'd been washed away
By too many through the day
Twelve o'clock tales.

Then you came along with your siren of song
To tempt me to madness!
I thought for a while that your poignant smile was tinged with the sadness
Of a great love for me.

Ah yes! I was wrong
Again,
I was wrong.

Life is lonely again,
And only last year everything seemed so sure.
Now life is awful again,
A troughful of hearts could only be a bore.
A week in Paris… 

 

Nat King Cole

The Nat King Cole Story – 1961, Capitol

Nat King Cole hatte dieses schwierige Lied, mit dem langen Vers und mit der ausgeweiteten Form, an dem Billy Strayhorn zwischen 18 und 23 geschrieben hatte, 1949 in einem Arrangement von Stan-Kenton-Arrangeur Pete Rugolo als erster aufgenommen. Supertalent Frank Sinatra wollte dieses Lied für Only The Lonely aufnehmen, ist aber daran gescheitert.

Billy Eckstine

No Cover, No Minimum – 1960, Roulette

Ein sehr raffiniertes, live in Las Vegas aufgenommenes Arrangement von Bobby Tucker mit nur vier Bläsern, die perfekt eingesetzt sind und nach viel mehr klingen.

Nancy Wilson
Lush Life – 1967, Capitol

Da dieser  „Paradesong“ von Strayhorn von der gescheiterten Liebe eines Dandys handelt, der seine Zeit am liebsten in Bars verbringt – dazu fällt mir Ballad of Sad Young Men ein – gibt es von diesem Song nicht so viele weibliche Interpretationen. Nancy Wilson hier sehr dramatisch und bestimmt mit großem Orchester, von Billy May arrangiert und geleitet.

Andy Bey
As Times goes by – 1991, Jazzette

Diese siebenminütige Soloversion mit einer sehr langen Intro ist spannend, harmonisch teilweise sehr gewagt, und sehr farbenfroh. Very special!

https://www.discogs.com/Andy-Bey-As-Time-Goes-By/release/12757894

 

Kevin Mahagony
My Romance – 1998, Warner Bros. Records

Ganz anders Kevin Mahagony in einer eher straighten, coolen Version im Duo mit Bob James.

Player 4
Player 5

PLAYER 5 - My Little Brown Book

Lyrics by Duke Ellington

My little brown book
With the silver binding
How it keeps reminding me
Of a memory
That's haunting me.
In some quiet nook
I go thru its pages
And peruse this ageless tale
Of a love that failed
To ever become true.
On this page is the date
Of that fateful night at eight
When I found you were no longer in love.
After that there's nothing more
Just a dark and futile door
That shuts out the…

Duke Ellington & John Coltrane – 1962, Impulse

Das ist eines meiner absoluten Lieblingsalben, und wie so viele zu der Zeit, von Rudy van Gelder aufgenommen. Das Zusammenspiel zwischen Ellington und Coltrane ist sehr entspannt und die davon ausgehende spirituelle Tiefe ist nur schwer zu überbieten.

Roman Schwaller

Three Generations Of Tenorsax, Johnny Griffin-Sal Nistico-Roman Schwaller - JHM 1997 (recorded 1985)

Der australische Pianist Paul Gabrowsky bezieht sich in der Einleitung auf Ellington, und der Schweizer Roman Schwaller bringt in dieser Siebenminutenversion seine große melodische Begabung zum Klingen.   

Joe Lovano

On This Day ... Live At The Vanguard – 2002, Blue Note

Lovano orientiert sich stark an Coltranes Version, spielt sehr verhalten und mit zerbrechlichem Ton. John Hicks ist ihm dabei ein perfekter Begleiter.

 

Phil Woods

Ballads & Blues – Venus Records, 2009

Phil Woods zusammen mit dem Trompeter Brian Lynch und dem Pianisten Bill Charlap in einer "superstraighten" Medium-Version.

Sonny Rollins

Reel Life – 1982, Milestone

Rollins in einer  kurzen “elektrischen” Slow Swing-Version mit dem Gitarristen Yoshiaki Masuo, dem E-Bassisten Bob Cranshaw und dem Drummer Jack DeJohnette.

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