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Ich werde jeweils im Abstand von zwei Wochen zwei Mal etwas Positives berichten und beim dritten Mal dann ein wenig über die Auswüchse des Zeitgeistes "lästern", oder auch nicht..
26.5. 45 pair of shoes
1990 hatte ich mit Innocence of Clichés bereits siebzehn Programme für das Vienna Art Orchestra/Vienna Art Choir geschrieben und davon gibt es fast alle auf Tonträger. Doch ich fühlte mich musikalisch nicht mehr wohl in meiner Haut, hatte das Gefühl, mich im Kreis zu drehen und brauchte dringend eine Veränderung. Durch Uli Scherers Anregung entstand 1992 das Programm Fe & Males in Anlehnung an Nizamis Die sieben Geschichten der sieben Prinzessinnen, in dem sich ein weibliches und ein männliches, jeweils paritätisch besetztes Septett, duellierten. 1996 führte ich diese Form musikalischer Inszenierung, die ich eigentlich schon 1987 mit Sens begonnen hatte und in der ich mein Faible für Visualisierung, sprich Dramaturgie, Konzeption, Licht und Bühnenkleidung ausleben konnte, mit La Belle et La Bête nach Jean Cocteau fort. Ich wollte unbedingt weg von der starren (tendenziell linken) Eintönigkeit der Avantgardedoktrin der 70er Jahre (entsetzlich dass die gerade wieder auftaucht!!), wo alles grau, eintönig und langweilig sein musste, obwohl wir tapfer dagegen anzukämpfen versuchten! Und ich wollte auch keine Straßenkleidung mehr auf der Bühne sehen - Schuhe inklusive, obwohl sich einige Musiker im VAO immer schon äußerst stilvoll gekleidet hatten. Jedenfalls beschloss ich 2004, im Rahmen der Tour mit dem Programm Big Band Poesie, mit dem besten Beispiel voranzugehen und kaufte mir einen halblangen türkis-goldenen Anzug aus Rohseide bei Lord Rieger und dazu ein paar orange-braune Schuhe. Das war Neuland für mich! Dabei entdeckte ich, was Schuhe so alles an Lebensgefühl und Lebensqualität auslösen können und damit hatte ich meine Aufnahmeprüfung in „The World of Shoes“ bestanden. Ich lernte, wie man seine Schuhe pflegen muss, damit sie lange halten. Hätte ich den genannten Schuh gleich mit einer Gummisohle versehen lassen, dann hätte ich ihn wohl heute noch! Unterdessen sind viele meiner Schuhe älter als zehn Jahre und schauen noch immer fast wie neu aus.
Manchmal kommt es mir so vor, dass ungepflegte Männerschuhe etwas Ähnliches wie schmutzige Fingernägel ausstrahlen.
Beginnen wir das Spiel mit den ersten drei Paar Schuhen, die alle älter als zwölf Jahre sind; mit einem sehr seltenen Hugo Boss, einem schwarzen Lacklederschuh mit Gold- und Kupferrändern von Joop, sowie einem extravaganten silbernen Paar aus Italien, das ich mal bei SHU! in der Neubaugasse entdeckt hatte. Von solchen ausgefallenen Exemplaren würden insgesamt nur je drei Paar in jeder Größe nach Wien geliefert, verriet mir mal ein Verkäufer bei Humanic.
Nachdem ich 2006 meine mittlerweile tanzende und choreographierende Tochter Naima anlässlich ihres Auslandjahres in Connecticut besuchte hatte, kaufte ich mir im Anschluss danach ein Paar tiefblaue Schuhe in NYC. Beim Röntgen am JFK hielt mich eine schwergewichtige schwarze „Mamma“ mit den Worten „Wait here“ auf, um kurz darauf mit drei ebensolchen weiteren Prachtsexemplaren aufzukreuzen, die plötzlich wie ein Gospelchor, tanzend zu singen begannen: „He’s got the shoes, He’s got the shoes, He’s got the shoes..“
Ungefähr fünf Jahre davor verbrachte ich mit Naima und ihrer besten Freundin Philline, Uli Scherers Tochter, eine Woche am Genfersee und anschließend ein Wochenende in Paris mit einem Besuch im Hotel Ritz und in der Galerie Lafayette (Girls halt..:-)). Als wir dort von der Metro direkt in der Schuhabteilung im Souterrain landeten, stürzten sich sofort drei mir unbekannte Personen, die sich gleich darauf als Schuheinkäufer entpuppen sollten, auf mich zu und wollten ganz aufgeregt wissen, woher ich denn meine Schuhe hätte. Meine Tochter drehte nur lakonisch den Kopf und meinte: „Papa, vergiss es, so bekannt bist Du nicht!“ Der Grund für das ganze Spektakel war mein gelber Schuh aus Barschleder von KOIL, der damals des öfteren Eindruck hinterlassen hatte. Zu der Zeit kannten mich auch die meisten Verkäuferinnen beim Salamander auf der Mariahilferstraße, denn dort gab es diese wunderbare Serie von Koil-Fischschuhen und vieles mehr! Und so sieht mein jetziger Koil aus.
Die Namen von zwei Schuhdesignern/Marken hatten es mir besonders angetan: Floris van Bommel sowie der belgische Schuh- und Modedesigner Dries van Noten , der mich zu meinem Pseudonym Gurk van Troeten inspiriert, wenn nicht sogar geradezu gedrängt hat. Und die holländische Firma Sacha ist immer gut für Ausgefallenes.
2013 hatte ich in einem Schuhgeschäft in der Neubaugasse einen futuristisch anmutenden Damenschuh entdeckt, den die irakische Architektin Zaha Hadid, von 2000 bis 2015 eine Professur an der Angewandten in Wien innehabend, für United Nude gestaltet hatte. Damals kostete der Schuh € 1.500.- , heute € 4.200.-, das nennt man Wertsteigerung! Leider hatte ich ebenso sowenig zugeschlagen wie bei Madonnas Sexbuch in den 80ern. Und hier meine zwei Exemplare von United Nude, ein Schwarzweisser und ein Türkisfarbener, der nächtens besonders schön leuchtet und ins Auge sticht.
Aalschuhe gefallen mir besonders wegen der Struktur des Leders, hier gibt es je ein dunkelgrünes und dunkelblaues Exemplar von K&K, und zu meinen diversen grauen Anzügen passt dieser silberne Schuh von Joop besonders gut.
Das Konzept mit den farbigen kontrapunktischen Schuhbändern gibt es noch nicht lange, genau genommen erst seit knapp zwei Jahren, als ich in Salzburg bei der sehr eigenartigen „Soko-Jedermann" auf dem Weg zum Festspielhaus einen Schuhmacher entdeckte, um ihm alle fünfzig verschiedenfarbigen Schuhbänder abzukaufen. Und weil ich bei der Premiere nicht erschienen bin, wurde meine Musik übrigens 2018 abgesetzt. Natürlich gibt es zu allen meinen fünfzig paar Schuhen auch jeweils die entsprechenden Socken, bzw. den dazugehörigen Schal. Der leider schon etwas abgetragene Comic-Schuh aus Amsterdam fühlt sich bei dem ihm Zugeteilten offensichtlich wohl.
Seit 2013 arbeite ich mit der Sängerin Lia Pale zusammen, als Arrangeur von Kunstliedern und als Begleitpianist. Zum Spielen braucht man besonders weiche und angenehme Schuhe, deswegen der blaue Wildlederschuh von Joop und der dunkelrote von Lloyd, nach dessen Farbe das Innenfutter meines Notenanzugs angepasst ist.
Einer meiner „Winter-Gatsch-Schuhe“ stammt aus Florenz, und der funkelnde Doncal’s kommt ebenfalls aus dem Schuhland Italien, ich kann mich allerdings nicht erinnern, ihn jemals getragen zu haben. Der wäre also besonders prädestiniert für meinen Nachlass..:-)
Komplimente für die Schuhe gibt es zu gleichen Teilen von unbekannten Frauen und Männern, und ich freue mich jedes Mal darüber. Schließlich will ich mit meinen Schuhen bloß ein bisschen Farbe und Freude in den oft so tristen (Mode)Alltag bringen. So auch mit diesen zwei wunderbaren Exemplaren von Hugo Boss in lila und rot .
Leider hat sich seit geraumer Zeit der Mainstream in der Mode so stark verbreitet, dass für Außenseiter immer weniger produziert wird. Marken Hugo Boss, Joop, Lloyd, die einst für Innovation und Kreativität standen, produzieren nur noch genormte Langeweile, und es ist immer schwieriger geworden, unter der alles erdrückenden Riesenwelle „Sneakers“, noch ein paar wenige fantasievolle Schuhe zu finden. Die Männermode im Allgemeinen, zu deren Entwicklung seit dem Mittelalter der niederländische Historiker Johann Huizinga einige interessante Fakten zu berichten weiß, dürfte seit Ende der 60er Jahre einem absoluten Tiefpunkt entgegengesteuert sein. Siehe auch mein Blog Was Facebook und die heutige Mode gemeinsam haben. Allerdings es gibt immer auch erfreuliche Ausnahmen, wie z.B. hierzulande die Jazzmusiker Wolfgang Puschnig, Roman Schwaller, Thomas Gansch, Mario Gonzi oder Bernd Reiter.
Es wäre keine besonders schöne Zeit mehr für Schuhliebhaber, gäbe es da nicht die deutsche Firma Melvin und Hamilton des Libanesen Rajab Choukair, der seit einigen Jahren die ausgefallensten und kreativsten Schuhe mit einem unglaublichen Output herstellt, die man in Wien übrigens bei Marcus Weberhofer in der Wollzeile 29 finden konnte, leider jetzt nicht mehr! Diese fünf wunderbaren Exemplare in blau, gold, silber, braun und lila stammen von dort. Meine letzte Eroberung, der Blumenschuh, wartet noch darauf, ausgeführt zu werden. Ich bitte um allfällige Vorschläge..
Unterdessen stellt Melvin & Hamilton fast nur noch die mir so verhassten Sneakers her. Davon ist leider auch die belgische Marke Lureaux, die wunderbare Exemplare
hergestellt hat, nicht mehr weit weg. Bleibt noch meine italienische Neuentdeckung, Peppe Shoes. Very exciting!!
Andere haben ein Auto, ich habe bloß Schuhe. Und fühle mich dabei frei und unabhängig.
mathias rüegg
Mit genialen Löchern!
2021
23.9. Der weise Mann und der Tod
1.4. Sibiriens vergessene Klaviere
4.3. Die seltsamsten Sprachen der Welt
17.2. Verwobenes Leben
2019
17.11. Warum ich gerne ein alter
weisser Mann bin
06.10. Das Auto, das Schnitzel und
das Klima
22.9. Warum ich demokratiepolitisch
noch Jungfrau bin
08.09. 400 Jahre Sklaverei, 50 Jahre
Woodstock und 90 Jahre Oscar
23.6. Zorica, meine Reinigungsfee
9.6. Passiv fahren, passiv trinken, passiv essen
& passiv rauchen
12.5. Warum ich den siebten Bezirk nur
ungern verlasse!
28.4. Warum ich für die Abschaffung des ORF
in der jetzigen Form bin
14.4. Gedanken zum (neuen) Urheberrecht aus der
Sicht eines Urhebers
10.02. Was die heutige Mode und Facebook
gemeinsam haben.
2018
25.12. Mein persönlicher Bezug zum Christentum