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Wien im Sommer 2018
Ich lebe nun seit ziemlich genau dreiundvierzig Jahren in Wien und habe (aktiv) miterleben dürfen, wie sich diese, damals dunkle, finstere und graue Pensionistenmetropole in eine junge blühende Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität verwandelt hat, die sich - wohl einmalig, fast ausschließlich über Kunst und Kultur definiert.
Am meisten mag ich Wien im Sommer, dann, wenn es wesentlich weniger Verkehr gibt, weil viele weggefahren sind, es also ruhiger ist, und die vielen Schanigärten die Stadt besonders lebendig erscheinen lassen. Und ganz besonders mag ich die lauen Sommerabende in einem Gastgarten unter freiem Himmel, die einem das Gefühl vermitteln, man sei irgendwo ganz weit weg und doch gleichzeitig in seiner geliebten Stadt.
Doch halt, sagte ich soeben „unter freiem Himmel“? Das mag wohl bis Kurzem noch so gewesen sein, doch spätestens seit diesem Sommer blieben praktisch alle Markisen und Sonnenschirme, die früher bei Sonnenuntergang eingeholt worden sind, gnadenlos bis zur Sperrstunde oben. Vorwiegend handelt es sich um schmutzige helle oder dunkle, in den meisten Fällen aber niedrig gespannte Schirme, unter denen sich die Hitze und der Geruch von Schweiß, Alkohol & Nikotin zu einer widrigen Blase ansammeln. Das hat sich unterdessen zu einer regelrechten Manie entwickelt, wo bei es - zumindest im siebten Bezirk, praktisch unmöglich geworden ist, an einem Sommerabend ein Lokal zu finden, dessen Schanigarten nicht komplett mit diesen Schirmen und/oder Markisen zugemüllt ist. In meiner näheren Umgebung, in der es von Lokalen nur so wimmelt, hab ich gerade noch drei entdeckt, in denen das erfreulicherweise nicht so ist: das Amerlingbeisl, das Epos und die Halle im MQ. Überall sonst, besonders in der mittlerweile unerträglich gewordenen Zollergasse, drängen sich jung und alt, Hipster und Nichthipster wie ferngesteuert in diese Hitze- und Schweißblasen, um nur ja nicht ein Stück vom Abendhimmel sehen oder halbwegs gute Luft einatmen zu müssen. Besonders übel ist das Maschu in der Neubaugasse, wo unter den finsteren hässlichen schwarzen Schirmen bereits am frühen am Abend, während es noch hell ist, Neonlichter eingeschaltet werden. Alle Gastgärten sind bestens besucht mit lauter zufriedenen Gästen. Vielleicht hat kollektiver Instinktverlust ja auch seine schönen Seiten?
Und wenn wir schon dabei sind: Die Sommermode 2018, vor allem die der Damen, ist nicht zuletzt dank der extrem kurzen Pants in eine Fleischbeschau besonderen Ausmaßes ausgeartet. Vielleicht Abbild des übermäßigen Fleischkonsums? Die vierzehn Milliarden getöteten und zuvor meist unter den widrigsten Bedingungen gehaltenen Tiere pro Jahr rächen sich, in dem sie posthum die Körper ihrer Verzehrer befallen und durch Übergewicht verunstalten. Oder so, oder auch nicht..:-) Ich erfreue mich jedenfalls sehr an diesem wunderbaren Herbst!
mathias rüegg Wien, 14.10. 2018
2021
23.9. Der weise Mann und der Tod
1.4. Sibiriens vergessene Klaviere
4.3. Die seltsamsten Sprachen der Welt
17.2. Verwobenes Leben
2019
17.11. Warum ich gerne ein alter
weisser Mann bin
06.10. Das Auto, das Schnitzel und
das Klima
22.9. Warum ich demokratiepolitisch
noch Jungfrau bin
08.09. 400 Jahre Sklaverei, 50 Jahre
Woodstock und 90 Jahre Oscar
23.6. Zorica, meine Reinigungsfee
9.6. Passiv fahren, passiv trinken, passiv essen
& passiv rauchen
12.5. Warum ich den siebten Bezirk nur
ungern verlasse!
28.4. Warum ich für die Abschaffung des ORF
in der jetzigen Form bin
14.4. Gedanken zum (neuen) Urheberrecht aus der
Sicht eines Urhebers
10.02. Was die heutige Mode und Facebook
gemeinsam haben.
2018
25.12. Mein persönlicher Bezug zum Christentum